Instrumente von Roman Sukac & Michael Scheer

CLAVICHORDE



Das gebundene süddeutsche hexagonale Clavichord anonym, um 1600
 

Clavichorde werden in gebundene und ungebundene Instrumente unterteilt. Als gebundene Clavichorde werden die Instrumente bezeichnet, die von der Renaissance bis in den Barock so gebaut wurden, dass nicht für jeden Ton eine Saite oder Saitenchor vorhanden sein musste. Die Tastenhebel gestaltete man derart, dass der Abstand der Tangenten genau der Proportion eines Halbtons entsprach. Deshalb liegen bei diesen Instrumenten die Tasten nicht schön parallel, sondern sind entsprechend den Halbtonproportionen gekröpft, was natürlich den Tonumfang auf etwa vier Octaven begrenzt. Im spanischen Hochbarock umd Klassik wurden allerdings sowohl Clavichorde wie andere Tasteninstrumente (z.B. Orgeln) mit bis zu 6 Octaven gebaut.

Bei dem süddeutschen Hexagonal (das Gehäuse ist ein unregelmäßiges Sechseck), einem Tischinstrument ohne Fußgestell, das dreifach gebunden ist, liegen z.B. die Töne b - h - c auf einer Saite und können deshalb auch nicht gleichzeitig als kleine oder große Sekunde angeschlagen werden. Die Bindung der Saiten hat verschieden Vorteile: weil man für eine bestimmte Anzahl von Tönen weniger Saiten braucht, ist der Resonanzboden weniger belastet und kann deshalb leichter schwingen, und eine mitteltönige Temperatur ist leichter zu legen, weil, wenn c gestimmt ist, h und b auch schon stimmen. Und wenn die Terz c-e stimmt, stimmen f und #f auch schon. Die reine Terz nach d-#f ist dann leicht zu finden mit den Nachbarn #c und #d usf. Im Gegensatz zu den gebundenen haben die bundfreien Clavichorde des Hochbarock für jeden Ton eine Saite oder Saitenchor und einen größeren Tonumfang.

Beim Nachbau dieses Hexagonals wurden leichte Modifikationen vorgenommen: der Tonumfang wurde von C/E-c''' auf volle vier Octaven C-c''' erweitert, die Tonbindung von dreifach auf zweifachgebunden reduziert (die Bassoctave ist ungebunden) und die Temperierung einer süddeutschen mitteltönigen Temperatur ("Esterreicher von Anieres") angepasst. Das Gehäuse ist in Ahorn gearbeitet und gewachst, die Klaviatur in Pflaume / Ebenholz und die - beim Orginal fehlende - Rosette ist aus Pergament geschnitten.

Das bundfreie Clavichord nach Johann Heinrich Silbermann, Strassburg 1775
 

Der Straßburger Schreiner Michael Silbermann (*1650) hatte drei Söhne, von denen einer (Abraham) früh starb, die beiden anderen wurden die berühmten Orgel- Cembalo- Clavichord- und Fortepianomacher Gottfried Silbermann (1683-1753 und Freund von J.S.Bach) in Freiberg und Andreas Silbermann (1678-1734) in Straßburg. Andreas´ vierter und jüngster Sohn war Johann Heinrich (1727- 1799), der sowohl bei seinem Vater Andreas als auch bei seinem Onkel Gottfried den Instrumentenbau erlernte. Er war als Komponist und Organist berühmt. Gepriesen wurde er aber besonders als Meister des Instrumentenbaus, so z.B. von Forkel im Musikalischen Almanach 1782: ... überall in der musikalischen Welt sind seine Instrumente so berühmt und gepriesen, da weiter nichts zu ihrem Lob zu sagen ist. Beides sowohl Cembali als auch Pianoforte und Clavichorde ... sind im Ton wie auch in der handwerklichen Arbeit herausragend schön.

Als Vorlage für den Nachbau diente das zweichörige Clavichord im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg von 1765. Das Instrument und das Fußgestell sind in Walnussholz gearbeitet und gewachst, die Klaviatur ist mit Ebenholz und Knochen belegt. Es hat einen Tonumfang von FF-f''' und den Kammerton 406 Hz (392 Hz) mit Messing bezogen oder 430 Hz (415 Hz) in Eisen.

 

 

Das sechsoctavige, gebundene spanische Clavichord nach José Grabalos, Tarazona um 1790
 

Im MUSEO DE LA MUSICA in der catalanischen Hauptstadt Barcelona steht ein äußerlich unscheinbares Clavichord, in Pinie gearbeitet, die Untertasten in Buchs und die Obertasten in Palisander. Es überrascht mit seinem außergewöhnlich großen Tonumfang von sechs Octaven (FF - f'''') und einem kräftigen Ton, der bis in den Diskant klar und singend bleibt. Auf dem Resonanzboden klebt ein Zettel, der den Erbauer als José Grabalos / Contralto en Tarazona ausweist. Es liegt nahe, dass es sich um das Tarazona bei Zaragossa handelt, da dort ein In-strumentenbauzentrum war, wo z. B. auch Orgeln mit ungewöhnlichen Tonumfängen und Klangfarben gebaut wruden. Wahrscheinlich auf Grund des unscheinbaren Äußeren und dem Gefühl, daß die Frühklassik auf den Hammerflügel gehört, ist über dieses Instrument und seinen Erbauer bisher fast nichts bekannt. Die Baßsaiten sind umsponnen und ab der Doppelchörigkeit in Messing (ungebunden), die oberen vier mit Eisen bezogenen Octaven sind gebunden. Die Mensurierung der Saiten deutet auf einen Kammerton von 415 Hz hin. Die Originaltemperierung ist eine spanische Mitteltönigkeit mit stark unterschwebenden grossen Terzen (2/7 syn.Komma). Für den Nachbau kann, durch verbiegen der Tangenten auch eine 1/6 pyt. Kommateilung (modifizierte Valotti-Stimmung) gestimmt werden.

 

 

Das zweimanualige bundfreie Clavichord auf der Basis des Silbermannschen Instruments, Jestetten 2005
 

Aus der intensiven Zusammenarbeit mit Clavichordisten wie Johann Sonnleitner oder Stefan Müller kristallisierte sich der Wunsch nach einem zweimanualigen Clavichord heraus. Es sollten auch jene Literatur, wie die Goldberg-Variationen oder Orgelstücke zu spielen sein, die technisch die Zweimanualigkeit vorgeben. Um das "alte Organisten-Übinstrument" etwas weiter zu entwickeln, wurden zwei fünfoktavige Silbermannsche Clavichorde übereinander gebaut. Damit die Klaviaturen nicht so weit auseinander liegen, wurde die des oberen Clavichords sieben cm tiefer gelegt, so dass die Klaviaturen fast den normalen Abstand von zweimanualigen Instrumenten haben.

Das zweimanualige Pedal-Clavichord auf der Basis des Silbermannschen Instruments, Jestetten 2005 (Foto siehe oben)


Der 1702 geborene Heinrich Nicolaus Gerber war Orgel-und Cembaloschüler von J.S.Bach. 1728 wurde er Organist in Heringen und drei Jahre später in Sondershausen. Neben seinen Kirchendiensten und Lehrtätigkeit, fand er noch Zeit mit Hilfe eines Schreiners eine 12-registrige Orgel mit Pedal zu bauen. 1742 baute er ein zweimanualiges Pedal-Clavichord in Form einer Pyramide mit 10 Möglichkeiten den Klang zu verändern.

1760 entstand in der Werkstatt von Johann David Gerstenberg, Orgelbauer in Geringswalda, ein zweimanualiges Pedal-Clavichord mit dem Tonumfang C-e3 (8´ doppelchörig) für die Manuale und CC-c (16´/ 8´ doppelchörig) das Pedal (heute in der Uinversität Leipzig).

Diese Instrumente waren die Anregung die Tradition des Pedal-Clavichordbaus weiter zu führen und auf der Basis des Instruments nach Johann Heinrich Silbermann, Strassburg 1775, das „alte Organisten-Übinstrument“ etwas weiter zu entwickeln. So wurden zwei fünfoktavige Clavichorde in Walnussholz, mit dem Tonumfang FF-f3 (8´ doppelchörig, bundfrei) übereinander gebaut. Damit die Klaviaturen, belegt mit Ebenholz und Knochen, nicht so weit auseinander liegen, wurde die des oberen Clavichords 7 cm tiefer gelegt, so dass sie fast den normalen Abstand von zweimanualigen Instrumenten haben. Beide Manual-Instrumente können sowohl einzeln als auch gekoppelt gespielt werden. Das Pedal-Clavichord, ebenfalls aus Walnussholz, mit dem Tonumfang CC-d (16' / 8' doppelchörig, bundfrei) lässt sich einzeln und gekoppelt registrieren. Als gemeinsame Grundlage dient die Silbermannsche Saitenmensurierung mit Messingsaiten zum Kammerton von 392 Hz.