Instrumente von Roman Sukac & Michael Scheer

AUSSERGEWÖHNLICHE INSTRUMENTE



Das süddeutsche Clavizyterium, anonym, um 1600
 

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg beherbergt ein anonymes süddeutsches Clavizyterium, das in seiner Konzeption eine erstaunliche Nähe zu dem süddeutschen Virginalcembalo in München und dem der Beuermann-Sammlung in Hamburg aufweist. Es zeugt von solchem handwerklichen Können, daß es lohnt auch dieses Instrument sowohl "streng" als auch motdifiziert nachzubauen - vorausgesetzt, man verfügt über einen Raum von mindestens 2.60m Höhe. Dem anonymen süddeutschen Clavizyterium der ausgehende Renaissance (um 1600), mit dem Ambitus C/E - c''', ist ein warmer, grundtöniger Klang eigen, der im Diskant weich und flötig wird und wunderbar mit dem regalartigen Nasard kontrastiert. Dieses Instrument unterscheidet sich (nicht nur hörbar) in Charakter, Spielart und Aufbau ganz wesentlich von den gängigen Cembali. Entsprechend der Zeit erkennt man den Einfluß der italienischen Cembalobauweise im süddeutschen Raum. Die Wänder und der Unterboden sind um die 8mm dick, der Resonanzboden zwichen 3-4mm. Das was es aber als typisch süddeusch ausweist und mit den vorgenannten Instrumenten gemeinsam hat, ist die Saitenmensur und die Klangfarbenvielfalt. Sie wird nicht durch unterschiedlich hochgestimmte Saiten für die Register erreicht, sondern durch das Anreißen der Saiten an unterschiedlichen Stellen, wodurch sich das Obertonspektrum der einzelnen Töne verschiebt und somit die Klangfarbe verändert. Leider ist es noch immer nicht möglich für diese Instrumente einen genaueren örtlichen oder personalen Bezug herzustellen.

Die Modifikation gegenüber dem einmanualigen Original ist das Überführen der Basswandsegmente in einen „Doppelschwung“ mit der krummen Wand und das Hinzufügen des zweiten Manuals mit einem Ravalement. Entscheidend für diese Modifikationen waren eine bessere Ausnutzung und Gegenüberstellung der Registerklangfarben beim Spielen, sowie die Einsetzbarkeit eines so aufwendigen Instruments bis in die hochbarocke Musik hinein.

Dispositon:
  Nachbau: 1-manualig Nachbau: 2-manualig
Register: < Virginal 8'+ Laute < Virginal 8'
  < Principal 8' < Dolce 8'
  > Octav 4' > Principal 8' + Laute
  < Nasard 8'+ Laute > Principal 8' + Laute
Tonumfang: HH - d''' GG/AA - d'''
Kammerton: 415 / 440 / 465 Hz 392 / 415 / 440 Hz, Koppel + oder dog leg

Das zweimanualige Cembalo nach Benoist Stehlin, Paris 1760, mit angehängtem Orgelpedal
 

Von Benoist Stehlin -im Französischen auch Stell oder Stella genannt- ist bezüglich seiner Lebens- daten relativ wenig überliefert. Sein Vater Georg Stehlin wanderte vermutlich aus schweizer Gebiet, wo der Name außer ordentlich verbreitet ist, nach Oltingen (zwischen Basel und Belfort) ins Haute Alsace (Oberelsaß) zur Welt. Er verbrachte seine Jugend in seiner Heimat, deren kultureller Boden durch die alemannische Erfindermentalität und die französische Weltläufigkeit gekennzeichnet war. In diesem kulturellen Klima erlernte er das Handwerk des Orgelmachers, das zu dieser Zeit von den berühmten Strassburgern Andreas und Johann Heinrich Silbermann geprägt war.

Als er ausgelernt hatte, übersiedelte er nach Paris. Dort ließ er sich als Cembalo- und Orgelmacher nieder; 1753 heiratete er. In Paris lebte und arbeitete er als häufig gerühmter Cembalobauer. Er verstarb am 11.7.1774 in Paris.

Zwei seiner Cembali sind uns bis heute erhalten. Eines, von 1750, steht in St. Quentin, Frankreich, im Musée Antoine Lécuyer. Es gehörte Bernard Jumentier (1749 - 1829), er war Komponist und Maître de Chapelle an der Kathedrale von St. Quentin. Im Jahr 1913 wurde dieses Cembalo erstmals restauriert. Das zweite, von 1760, kam von Florida in die Sammlung der Smithsonian Institution in Washington.

Beiden von Stehlin signierten Instrumenten sind spezifische Korpus- und Mensurcharakteristika eigen, die sie als überaus warmklingende Instrumente auszeichnen. Dieser warme und cantable Klang war ausschlaggebend, nicht ein Taskin oder Blanchet nachzubauen, sondern als Vorlage das Stehlin-Cembalo von 1760 zu wählen.

Im 18. Jahrhundert gab es einige Pedalcembali, die aus einem zweimanualigen „Oberteil“ mit der Disposition: Untermanual 8'<, 4' < , Obermanual 8'> , Laute, Schiebekoppel und einem „Unterteil“, dem Pedal, mit der Disposition: 16´, 8', 4' bestanden. Im 17. Jahrhunder gab es vor allem in Italien einige Polygonale und Cembali, die ein angehängtes Pedal hatten. Das heisst, die Basstasten des Manuals waren mit schnüren zum Pedal verbunden, sodass man mit dem Fuss die Basstöne halten konnte und die Finger frei für die Mittellage und den Diskant hatte.

Der Vorteil von "Ober- + und Unterteilcembalo" ist sein voller Klang mit dem 16'. Der Nachteil ist, dass man zu den 3 Registern des "Unterteils" stimmen muss, was in klimatisch kritischen Räumen, je nach Jahreszeit zu erheblicher Stimm- und Regulationsarbeit führt. Wenn es also, z.B. für einen Organisten, nur darum geht die Möglichkeit des Pedalübens zu realisieren, dann bietet sich die "frühere" Variante des angehängten Pedals als die vorteilhaftere an. Denn hier muss nur das normale Cembalo gestimmt und reguliert werden und es bleibt mehr Zeit für die musikalische Arbeit.

Das zweimanualige Cembalo nach Benoist Stehlin (1760) mit angehängtem Orgelpedal hat für die Manuale die Disposition:

   
Untermanual 8'<, 4' <
Obermanual 8'> , Laute,
Schiebekoppel  
Pedal 8´< , Koppel zum unteren Manual.
Tonumfang: FF-f3

Das Virginalcembalo nach einem anonymen Instrument (A R) anonym, um 1600
 

Im Depot des Bayrischen Nationalmuseums steht ein süddeutsches Virginalcembalo, das von solcher handwerklichen Genialität zeugt, daß es lohnt, dieses Instrument sowohl "streng" als auch modifiziert nachzubauen. Dem anonymen süddeutschen Virginalcembalo der ausgehenden Renaissance um 1600 ist ein warmer, grundtöniger Klang eigen. Dies Instrument unterscheidet sich (nicht nur hörbar) in Charakter, Spielart und Aufbau ganz wesentlich von den gängigen Cembali. Wie der Name Virginalcembalo schon sagt, handelt es sich um ein Cembalo, dessen beide Stege (Stimmstocksteg und Resonanzbodensteg) auf dem schwingenden Resonanzboden liegen und deshalb zu ganz anderen akustischen Resultaten führt als der Aufbau eines "normalen" Cembalos. Enstprechen der Zeit erkennt man den Einfluß der italienischen Cembalobauweise im süddeutschen Raum. Die Wände und der Boden sind zwischen 3 und 8 mm stark. Das was es aber als typisch süddeutsch ausweist, ist die Klangfarbenvielfalt. Sie wird nicht durch unterschiedlich hoch gestimmte Saiten für die Register erreicht, sonder durch das Anreißen der Saiten an unterschiedlichen Stellen, wodurch sich das Obertonspektrum der einzelnen Töne verschiebt und somit die Klangfarbe verändert.

Die Modifikation gegenüber dem einmanualigen Original ist das Hinzufügen des zweiten Manuals und eines Ravalements. Entscheidend für diese Modifikationen waren eine bessere Ausnutzung der acht Register aus dreimal 8': Regal, Nasard, Prinzipal, Dolce, Virginal, Virginal-Laute, Prinzipal-Laute, Mandola und die Einsetzbarkeit eines so aufwendigen Instruments über die Renaissance und frühbarocke Musik hinaus:

Dispositon:
Nachbau: 1-manulig 2-manualig, Koppel
Register: < Virginal 8´ + Laute < Virginal 8´ + Laute
  < Dolce 8´ < Dolce 8´
  > Principal 8´ + Laute > Principal 8´ + Laute
  < Nasard 8´ < Nasard 8´
  > Regal 8´ + Laute < Regal 8´
Tonumfang: C/E - c3 (HH - d''') FF - g'''
Kammerton: 415 / 440 / 465 Hz 392 / 415 / 440 Hz

Das Cembalo Dinamico ein Auftrag der Medicci an Bartolomeo Christofori, Jestetten 1986
 

Das Dinamico, ursprünglich sollte es Cembalo col piano e forte heißen, ist ein neues Musikinstrument das aus dem alten Kielflügel (Cembalo) entwickelt wurde. Das Wesentliche ist seine dynamische Ausdruckskraft. Ideen dazu hatte schon Arno von Zwolle im 16. Jahrhundert.

Das Dinamico versucht neue Klangwelten zu erschließen: vom lieblichen Piano bis zum imposanten Forte. Somit verbindet das Dinamico die Vorzüge des Klaviers mit denen des Cembalos -Dynamik und Klangfarbenvielfalt. Es war schon immer ein Traum, dem Cembalo die Ausdrucksfähigkeit des Clavichords zu verleihen: als vor mehr als 300 Jahren der Cembalobauer Bartolomeo Christofori die Hammermechanik und damit das Klavier erfand, suchte er eigentlich danach, die Möglichkeiten des Cembalos im dynamischen Bereich zu steigern. Das gesteckte Ziel wurde mit dem Cembalo nicht erreicht, es blieb bis heute unverändert. Doch hat er eine neue Mechanik erfunden: Die Hammermechanik des Klaviers.

Wo Christofori aufhörte, haben wir versucht weiter zu machen - die dynamische Gestaltbarkeit jedes einzelnen Tones beim Cembalo. Herzstück der bereits zum Patent angemeldeten Neuentwicklung ist ein kleines Messingstück, das am Kopf des Springers befestigt ist und durch seine Massenträgheit die Lautstärkensteuerung der Zunge im Kiel übernimmt.

Das von uns gefertigte 1-manualige Instrument ist aus schwarz gebeizter Esche mit 2 x 8' (schaltbar über 2 Pedale); die Stege aus kaukasischem Nussbaum, die Decke aus schweizer Hoch-gebirgsfichte und die Klaviatur ist mit türkisfarbenem, lukaneser Marmor und Ebenholz belegt. Der Tonumfang CC - C'''' entspricht dem Broadwood-Flügel, der Beethoven 1816 geschenkt wurde.